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Die Sucht nach dem Sehnen

Ein Mann und eine Frau. Sie begegnen sich. Sie kennen sich. Sie reden, sie lachen, sie beobachten, sie schweigen. Sie ignorieren, sie lügen und verstecken ihr Herz. Doch manchmal, ja manchmal pocht das Herz so laut in der Brust, dass der andere es für einen kurzen Augenblick spüren kann. Für einen kurzen Augenblick ist es da, ganz klar, so stark und fesselnd. Atem raubend. Dann gehen die Blicke tiefer und durchdringen die Fassade. Sie zerschmettern sie wie zartes Pergament.
So wimmernd und nackt in der Begierde, raffen sie sich auf, um schnellstmöglich eine neue Mauer zu errichten. Höher und fester noch als zuvor. Doch sie sind unachtsam und irgendwo vergessen sie einen Stein, der die kleinen Funken des Lichts immerzu hindurchlässt. Und wenn sie dann nach einiger Zeit nichtsahnend an ihrer Mauer entlang schreiten, sie stolz betrachten, dann werden sie plötzlich wieder geblendet. So stark, dass sie vor lauter Schmerz in die Knie gehen und sich die Augen zuhalten müssen. Sie können es nicht ertragen. Sie wollen diesen Schmerz nicht spüren. Diesen süßen Schmerz, welcher grausam und wunderschön zugleich ist. Wenn sie aber die Augen schließen, können sie ihn vorerst ignorieren. Das tun sie. Das haben sie getan. Immer wieder.
Um den Schmerz etwas erträglicher zu machen, gehen sie manchmal in ihr geheimes Zimmer. Sie haben es gebaut, um sich dort genau betrachten zu können, damit sie sich nicht schämen oder rechtfertigen müssen. In diesem Zimmer dürfen sie sagen was sie wollen und sein wie sie wollen.
In diesem Zimmer stehen sie voreinander.  Hier sehen sie sich an. Sie sehen sich tief in die Augen. Sehr lange und es ist wunderschön, diesen Blick des anderen auf sich zu wissen. Es ist so wunderschön, dass sie angst haben, durch ein Annähern die Magie zu zerstören.
Aber schließlich bewegen sie sich doch. Langsam zunächst, mit kleinen Schritten. Mal zur Seite, mal aufeinander zu. Es ist wie ein Tanz, den nur die beiden jetzt und hier tanzen können. Und dabei blicken sie sich an. Es knistert, es vibriert, es zehrt an den Nerven. Und als sie schließlich voreinander stehen, so dass sie den Atem des anderen auf der Haut spüren, verharren sie. Sie sehen den anderen. So nah. Beide sind ängstlich. "Was ist es?" fragen sie in sich hinein. Zaghaft finden sich ihre Hände. Diese Berührung, wie ein kleiner Stromschlag. Strom der durch sie hindurchfließt und all diese kleinen Knöpfe und Schalter aktiviert. Es bringt sie fast um den Verstand und kostet sie all ihre Willensstärke nicht über den anderen herzufallen, wie ein wildes Tier, das endlich in der kargen Schneelandschaft, das erste Mal seit Wochen ein Stück Fleisch daher hoppeln sieht.
So erkunden ihre Fingerspitzen vorsichtig die jeweils fremde Hand. Scheu blicken sie zur Seite. Sie sind schwach. Sie möchten weinen, sie möchten mit ihren Tränen den Kummer bekämpfen, den sie verursachen. Doch da wandern bereits ihre Fingerspitzen weiter die Arme entlang. Die kleinen Härchen stellen sich auf. Sie möchten sich noch näher sein. Langsam drücken sie ihre Körper aneinander, spüren ihre Wärme die so tief geht. Wärme, die sie komplett einhüllt. So stehen sie eng beieinander und ganz langsam wird daraus die erste Umarmung. Zunächst vorsichtig und schwach und dann, als hätten sie angst, der andere könnte plötzlich fortgerissen werden. Sie drücken sich mit aller Kraft an den anderen. Sie riechen sich und atmen das Verlangen ein.
Langsam wandert ihr Gesicht zu seinem Hals, dort gräbt sie es fest hinein. Warm. Weich. Sein Duft, der Geschmack seiner Haut den sie kostet. Sie ist wie betäubt. Doch dann spürt sie seine Lippen an ihrem Hals. Ihr Herz macht einen Satz, es beginnt zu rasen, ihre Atmung beschleunigt sich. Sie hält es nicht aus, sie spürt sein Verlangen, das Feuer und nun kann sie nicht anders, voller Sehnsucht finden sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss, dort verweilen sie, bis sie schließlich der Schmerz eingeholt hat, sie das Zimmer verlassen und alleine weiterziehen.

Ich bin so ignorant.
Will nicht sehen,
bleibe stehen.
Und ich stand,
sah gebannt,
auf das Herz,
das meine,
in der deinen...Hand.

Wie kam es bloß dahin?
Sag, wieso hältst du es so fest?
Hör doch auf, es tut so weh,
und egal wie ich mich dreh,
mit allem was ich bin,
frage ich die Nacht,
die leise wacht,
ob du mich lässt?

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